Nach Hause kommen und aufbrechen
Glaubenssache

Weihnachten 2021. Für die einen klingt das Fest noch lange nach. Andere sind heilfroh, dass sie die Feiertage endlich hinter sich gebracht haben. Weil ein lieber Mensch schmerzlich vermisst wird. Das erste Mal. Oder seit Jahren schon. Weil Einsamkeit besonders spürbar ist, wenn alles still wird. Weil es immer wieder denselben Ärger zu Hause gibt ... Weil vernarbte Seelenwunden wieder weh tun ... Weil ...
Weihnachten 2021 nach einem weiteren Pandemie-Jahr. Ich habe wieder so viele ‚richtige’ Sätze über Weihnachten gelesen und gehört. Aber sie haben mich nicht berührt. Nicht getröstet. Nicht aufgerichtet.
„Jesus Christus hat die Tür zwischen Gottes Reich und unserer kleinen Welt aufgeschlossen.“ Ok. Na und?
„Seit jener Nacht auf dem Hirtenfeld steht der Himmel offen.“ Aha. Spötter entgegnen: Hauptsache es regnet nicht.
„Lasst uns in die Weihnachtstage gehen in der Gewissheit, dass wir den Weg zu Gott finden können.“ Ist das der Kern von Weihnachten? Muss ich mich – schon wieder – auf die Suche machen? Wenn das gelebte Leben manchmal nichts als Lösungssuche zu sein scheint, warum muss ich ausgerechnet auch noch „den Weg zu Gott finden“?
So viele Suchbewegungen in diesem Jahr. Und im Jahr davor. Und wohl auch im nächsten. Was geht? Was geht nicht? Was geht vielleicht doch wieder und auf einmal wieder nicht? Wo haben Entscheidungen, die ich mit anderen gefällt habe, Menschen Türen geöffnet – und anderen verschlossen? Ich will nicht immer suchen und finden müssen.
Weihnachten ist eigentlich ganz anders. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Weihnachten kommt Gott nach Hause. Was der Sänger und Songwriter Johannes Oerding singt, ist die Strategie des menschgewordenen Gottes: „Ich komm’ nach Haus zu euch. Ich komm nach Haus, bin auf dem Weg.“
Das ist Weihnachten. Gott kehrt heim. Mein Zuhause – wo auch immer es im Moment ist – ist sein Zuhause. Mein Zuhause – wie unaufgeräumt und dreckig, wie einsam oder spannungsgeladen es da gerade sein mag – ist sein Zuhause. Ich stelle mir vor, ihm ist völlig egal, ob alles aufgeräumt ist oder Chaos herrscht. Ich male mir vor Augen, dass wir einen Kaffee zusammen trinken. In meinen vier Wänden, in denen ich es auch in diesem Jahr manchmal kaum ausgehalten habe. Da kommt er hin. Teilt meine Einsamkeit, meine Ängste. Hört sich meine Wut an, die sich angestaut hat. Lässt meinen Tränen Raum.
Und wenn er sich irgendwann später wieder aufmacht, kommt die Gegeneinladung: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.” (Johannes 6,37 – Jahreslosung für 2022). Aber ich bin sicher: Wenn ich den Weg nicht schaffe, er schafft ihn auf jeden Fall wieder zu mir. Mir diesem Gedanken wage ich mich in das neue Jahr 2022 hinein.
Dirk Jonas
Pastor der Ev.-luth. St.-Pankratius-Kirchengemeinde Burgdorf
„Glaubenssache - Beiträge und Texte aus Kirche und Religion“
Die Kolumne erscheint jeweils sonnabends im Marktspiegel für Burgdorf und Uetze, sowie im Marktspiegel für Lehrte und Sehnde. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kirchen schreiben Beiträge aus ihren Kirchengemeinden, Einrichtungen und Arbeitsfeldern, von ihren Erfahrungen und zu dem, was sie gerade beschäftigt.